Im Corona-Lockdown hatte ich mit dem Musik-Blog begonnen, da hatte ich viel Zeit… Seit der Alltag sich normalisiert hat, habe ich meinen Blog leider lange Zeit sträflich vernachlässigt. Nun will ich versuchen, mit kürzeren, bescheideneren Beiträgen weiterzumachen. Fundstückchen statt intensiver Recherche. Das müsste doch auch im normalen Alltag zu schaffen sein.

Hier mal ein sympathisches Fundstück aus Griechenland: zwei in ihren Traditionen verwurzelte Musiker aus unterschiedlichen Regionen tun sich zusammen und kombinieren ihre Musik, und das Tanzvolk macht das offensichtlich gerne mit. Passt!

Beide fideln mit einer Kniegeige, also einem Streichinstrument, das mit dem Bogen gespielt und dabei aufrecht gehalten wird. (Macht der Musiker es sich sitzend bequem, so kann er die Fidel auf dem Oberschenkel abstellen.)

Dass diese Musiker aus unterschiedlichen Kulturregionen kommen, sieht man schon auf den ersten Blick an der deutlich unterschiedenen Form dieser beiden Kniegeigen. Die kretische Lyra ist hübsch rundlich, während die pontische Lyra schön schlank ist. Wer die Musik ein wenig kennt, erkennt die beiden Lyras auch bald an ihrem jeweils typischen Klang.

Im übrigen verraten uns bereits die Namen der beiden Musiker – Giorgos Zervakis und Theofilos Poutachidis – , welcher Tradition sie verpflichtet sind: griechische Familiennamen, die auf -akis enden, stammen von Kreta, während Nachnamen, die auf -idis enden, pontischer Herkunft sind.

(Pontier nennt man diejenigen Griechen, die seit der Antike die südliche Schwarzmeerküste besiedelt hatten. Πόντος / Pontos = Meer. Im sog. „Bevölkerungsautausch“ von 1923 wurden die christlich-orthodoxen Pontosgriechen zur Migration nach Griechenland gezwungen, während die muslimischen Türken gleichzeitig Griechenland verlassen mussten.)

Das Video dauert eine Viertelstunde und die Musiker spielen selbstverständlich ohne zwischen den Stücken abzusetzen. (Ein echter traditioneller Volksmusiker kann mindestens eine Dreiviertelstunde am Stück diverse Lieder hintereinanderweg spielen.) Gut 10 Minuten lang tanzen die Leute gemütlich vor sich hin, was man auf Kreta „Siganos“ (den Langsamen) nennt und was ich gern „den klassischen 3-Teile-Tanz“ nenne. (Teil 1 = ein wenig Fortbewegung, Teil 2 = Schritt auf den rechten Fuß und ein bisschen federn oder eine andere Schnörkelbewegung, Teil 3 = Schritt auf den linken Fuß und ein bisschen Schnörkel, insgesamt 6 Zeiten. Von diesem Grundmuster kann man rund 80 % der griechischen Tänzen ableiten.)

Was man in diesem Video sehr schön beobachten kann, ist der traditionell übliche Stegreifgesang. Auch wer nicht Griechisch versteht, merkt, dass die beiden Musiker während des Spielens verbal miteinander und mit dem Publikums kommunizieren. Zwischendurch singen sie die vorgegebenen Strophen ihrer Lieder weiter. (Nicht selten singt das Publikum mit.)

Wem der Siganos zu lang wird, kann vorspulen: ab ca. 10’10 geht es über in den lebhaften (kretischen) Pentozalis. Das Pentozalis-Schrittmuster kann man hier gut beobachten, und auch die unterschiedliche Art, wie die Tanzenden ihn individuell ausformen. Ab ca. 11’30 schalten Musiker und Tanzende um auf den (pontischen) Kotsari.

Interkulturelle Verständigung auf griechisch